Keine Angst vorm Schulstreik
Auch wenn LehrerInnen und Schulleitung mit Strafen drohen – sie können euch nicht daran hindern, am Streik teilzunehmen.
100.000 SchülerInnen und Schüler haben an den Schulstreiks im vergangenen November teilgenommen. Viele haben es sich zweimal überlegt, ob sie zum Streik kommen: Lehrer, Schulleiter und Medien haben an einigen Orten mit Drohungen und Einschüchterungen versucht, die Leute vom Streik fernzuhalten. Auch bei den Schulstreiks im Juni müssen wir uns auf solche Versuche einstellen – und uns deshalb klar machen, wie wir uns dagegen wehren können.
An einigen Schulen hieß es: Die TeilnehmerInnen am Streik werden mit einem schriftlichen Verweis bestraft, die Streikenden bekommen die doppelte Fehlstundenzahl eingetragen usw. Bei anderen Gelegenheiten haben Schulleiter den SchülerInnen sogar mit Anzeigen bei der Polizei gedroht, wenn sie an einer Demo teilnehmen.
Illegale Einschüchterung
Aber all diese Maßnahmen sind illegal. Für die Teilnahme an einer Demo dürfen keine Strafen verhängt werden. Auch für Schülerinnen und Schüler gelten die im Grundgesetz geregelten Grundrechte. Kein Schulleiter kann das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit aufheben, auch wenn er es noch so gerne möchte. Gegen all diese Maßnahmen kann man sich zu Wehr setzten, und die Erfahrungen zeigen auch, dass das funktioniert. Das wissen natürlich auch die Schulleiter. Sie wissen aber auch, dass viele sich allein von den Drohungen schon einschüchtern lassen und aus Angst vor Strafen nicht am Schulstreik teilnehmen wollen. Wenn ihr am 17. Juni in den Unterricht geht, anstatt für eure Bildung zu demonstrieren, dann haben diese Herrschaften ihr Ziel erreicht.
Schulpflicht vs. Versammlungsfreiheit
Die Gegner des Schulstreiks argumentieren, dass es ja immer noch die Schulpflicht gebe und man eben nach Schulschluss demonstrieren müsse. Diese Leute wissen, dass wir mit Demonstrationen in der Schulzeit viel mehr Aufmerksamkeit erregen und viel größeren Druck erzeugen. Sie wollen uns mit zweifelhaften juristischen Spielereien daran hindern, für unser Recht auf Bildung auf die Straße zu gehen.
Doch wenn zwei Rechtsgüter – in diesem Falle Schulpflicht und Versammlungsfreiheit – im Widerspruch zueinander stehen, dann muss zwischen diesen Rechtsgütern abgewogen werden. Das sieht dann so aus: „Schul(pflicht)gesetze und Rechtsverordnungen ermöglichen in allen Ländern eine kurzfristige Befreiung vom Schulbesuch aus wichtigen Gründen. Das gilt für familiäre Anlässe ebenso wie für religiöse Veranstaltungen. [...] Es geht nicht an, dass die Schule bei der Beurlaubung aus privatem Anlass großzügig verfährt, die Beteiligung an einer Demonstration hingegen ausnahmslos unterbindet", so der Jurist Prof. em. Dr. Hermann Avenarius in der Frankfurter Rundschau vom 2. April 2003.
Wenn also die Teilnahme an einer Demonstration den Schulbesuch nicht ernsthaft gefährdet, dann können SchülerInnen durchaus dafür entschuldigt werden. Allerdings muss es sich dabei um einen Einzelfall handeln, das heißt, es darf nur sehr selten vorkommen. Minderjährige SchülerInnen müssen sich von den Eltern entschuldigen lassen. Die Schule entscheidet anschließend, ob diese Entschuldigung akzeptiert wird. Dabei spielt auch eine Rolle, ob der/ die Schüler/in Einfluss auf den Termin der Demo nehmen konnte.
Demonstrationsrecht erkämpfen!
Juristisch gesehen kann eine Schule also DemoteilnehmerInnen entschuldigen. Ob sie dies allerdings tut, liegt meist in ihrem eigenen Ermessen. Wir wollen aber unsere Demo nicht vom guten Willen des Klassenlehrers oder des Direktors abhängig machen.
Wenn ihr als Einzelpersonen mit eurem Lehrer verhandelt, ob er euch entschuldigt, könnt ihr oft Pech haben. Natürlich gibt es LehrerInnen, die die Forderung nach einem demokratischen Bildungssystem, das allen Jugendlichen eine gute Bildung bietet, unterstützen. Wenn der/ die Lehrer/in aber nicht von selbst bereit ist, euch zu entschuldigen, wird es etwas schwieriger. Denn dann müsst ihr an der Schule entsprechenden Druck erzeugen. Zum Beispiel könnt ihr mit vielen gemeinsam das Gespräch mit eurem Lehrer suchen. So seid ihr nicht allein und habt bessere Karten. Oder holt euch Unterstützung von dem/ der Verbindungslehrer/in. Schließlich ist es seine/ ihre Aufgabe, in Konflikten zwischen Lehrern und Schülern zu vermitteln. In vielen Fällen kommt ihr auf diese Weise zum Ziel: Ihr könnt am Schulstreik teilnehmen, ohne unentschuldigte Fehlstunden eingetragen zu bekommen oder anders bestraft zu werden.
Eine weitere Möglichkeit ist, dass die Bezirks- oder Stadtschülervertretung eine Vollversammlung einberuft. An dieser dürfen alle SchülerInnen teilnehmen. Wenn also die Vollversammlung zufällig zur gleichen Zeit und am gleichen Ort wie die Demo stattfindet, könnt ihr alle zur Demo gehen und euch dafür entschuldigen lassen.
Gemeinsam Druck machen
Wenn all das nichts hilft, bleibt nur eins: Ihr müsst an der Schule Öffentlichkeit erzeugen, um Lehrer und Schulleitung unter Druck zu setzen. Zum Beispiel könnt ihr einen Aushang am schwarzen Brett machen, in dem ihr die Schulleitung auffordert, euch ungestraft an der Demo teilnehmen zu lassen. Umso mehr Leute von eurem Problem wissen, umso mehr Leute darüber diskutieren und euch unterstützen, desto einfacher habt ihr es, euch durchzusetzen. Klar ist in jedem Fall: Wenn ihr konsequent bleibt, habt ihr gute Chancen, euch durchzusetzen. Und das ist allemal besser, als sich mit Drohungen ruhig stellen zu lassen. Schließlich wollen wir uns das Demonstrieren nicht verbieten lassen.
Verbündete suchen
Natürlich ist es sehr schwer, einen solchen Konflikt durchzuhalten. Holt euch deshalb die Unterstützung von Freunden und von Lehrern, die dazu bereit sind. Schließlich sind die LehrerInnen genauso Opfer der gegenwärtigen Bildungspolitik wie wir: Sie müssen in übergroßen Klassen arbeiten und haben unzumutbare Arbeitszeiten. Auch Eltern und die Elternbeiräte unterstützen in vielen Fällen die Forderung nach einer Schule für alle. Deshalb sind auch sie häufig wichtige Verbündete, wenn es darum geht, unsere Rechte zu verteidigen.
Aber die Versicherung?
Immer wieder werden SchülerInnen – besonders aus den unteren Jahrgängen – davor gewarnt, am Streik teilzunehmen, weil sie dort nicht versichert seien. Ein Frankfurter Schulleiter hat der SV seiner Schule gesagt: Wenn ihr zum Schulstreik aufruft, seid ihr verantwortlich für die jüngeren SchülerInnen, die mitkommen.
Tatsache ist: In der Schule und auf dem Schulweg ist man gegen Unfälle usw. versichert. Das gilt auf der Demonstration natürlich nicht. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass die SV oder irgendwelche Einzelpersonen in Haftung genommen werden können! Auch das ist eine unsinnige Behauptung des Schulleiters, um die SV politisch zu beeinflussen.
Wie gefährlich ist es denn nun, an einer der Schulstreik-Demos teilzunehmen? Die TeilnehmerInnen treffen sich und demonstrieren gemeinsam durch die Stadt. Ständig sind auch ältere MitschülerInnen dabei, die sich um Probleme der anderen kümmern können. Das Risiko, auf der Demo überfahren oder vom Blitz getroffen zu werden, ist sehr gering. Daher empfiehlt POSITION: Ob versichert oder nicht – mach mit beim Schulstreik.
sdaj-essen - 11. Mai, 16:34